200169 Spezifische Schwerpunkte: Selbstwert (N-Nr.: 27408) |
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WS 2007/2008 |
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Mag. Dr. Helga Elisabeth Schachinger |
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Weisheit |
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Kontakt: |
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Heidemarie König: a0247620@unet.univie.ac.at |
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Thomas Suster: a9903264@unet.univie.ac.at |
Inhaltsverzeichnis
2. Philosophische
Weisheitstheorien
2.1. Weisheit
und Philosophie heute
3. Abriss
psychologischen Weisheitstheorien
4.2. Die
Relevanz von Implizite Theorien zur Thematik Weisheit
4.3. Die
Operationalisierung der Dimension Weisheit
4.4. Zweck
der Weisheits-Forschung
5.2. Die
Reflective Judgement Theorie (Kitchener)
5.3. Die
Epistemic Wisdom Theorie (Brugman)
6. Exemplifizierung
einer Pragmatischen Theorie: Das Berliner Weisheitsparadigma
8.1. Monika
Feuchtinger (Brugman 2006)
8.2. Heidemarie
König (Staudinger & Dörner, 2007)
In dieser Seminararbeit wollen wir uns dem Thema Weisheit nähern. Befragt man ein Lexikon zu diesem Thema, kann die Antwort ganz unterschiedlich ausfallen; Im neuen Brockhaus von 1968 ist der Begriff Weisheit überhaupt nicht gesondert angeführt. Er wird unter dem Punkt „weise" mit Wissen, Klugheit und Abgeklärtheit erläutert. Wie sich im Verlaufe dieser Arbeit zeigen wird, ist das Thema Weisheit ein sehr weites Gebiet.
Wir versuchen einen kleinen Einblick zu ermöglichen, indem wir zuerst über philosophische Theorien sprechen, und danach einen kurzen Abriss über psychologische Theorien geben. Über die Laienvorstellungen kommen wir zu zwei psychologischen Forschungsrichtungen. Bei den epistemologischen Theorien geben wir einen Überblick über drei Theorien, welche sich mit der eigenen Haltung gegenüber Wissen auseinandersetzen. Bei den pragmatischen Theorien, welche sich dem Thema Weisheit über den Aspekt einer „guten Lebensführung“ nähern, konzentrierten wir uns auf das Berliner Weisheitsmodell, als einen typischen Vertreter.
Danach stellen wir uns der Frage, welche unentdeckte Inseln auf dem Meer der Erkenntnis in Bezug auf Weisheit zu finden sind. Als Abschluss betrachten wir vier exemplarische Artikel kritisch.
2. Philosophische Weisheitstheorien
(
Die philosophischen Weisheitstheorien sind auch für Psychologen von Bedeutung. Einerseits zeigen sie Thematiken im Zusammenhang mit Weisheit auf, andererseits nehmen viele aktuelle psychologische Theorien auf sie Bezug. In diesem Zusammenhang wird zunächst ein kurzer historischer Abriss über philosophische Weisheitstheorien gegeben, um danach den aktuellen Stand der philosophischen Weisheitsforschung zu betrachten.
Die Herangehensweisen der Philosophie können laut Brugman (2006) wie folgt dargelegt werden. Weisheit ist, „das Wissen von Regeln zur guten Lebensführung“, „ein gutes Leben zu führen“ sowie „Vertrauen in Gott“ oder die mehr skeptischen Varianten, wie „Zweifel“ oder „Umgang mit Unsicherheit“. Bevor versucht wird deren Bedeutung für die Psychologie aufzuzeigen schauen wir uns eine aktuelle Theorie näher an.
2.1. Weisheit und Philosophie heute
Man kann laut Ryan (2007) vier Zugänge zum Verständnis von Weisheit unterscheiden[1]:
(1) Weisheit als epistemische Demut
(2) Weisheit als epistemische Genauigkeit
(3) Weisheit als Wissen
(4) Weisheit als Wissen und Handeln
(1) Weisheit als epistemische Demut geht auf eine Erzählung Platons (Ryan, 2007) zurück, in welcher Sokrates mit einem Freund das Orakel von Delphi besucht. Auf die Frage von Sokrates Begleiter, ob es in ihrer Gemeinde denn jemanden gebe der weiser als der große Philosoph sei, antwortete das Orakel mit: „Nein, es gibt keinen der weiser ist als Sokrates“. Diesem wollte der Spruch aber nicht recht behagen, da er viele Leute in der Gemeinde kannte, die behaupteten viel zu wissen. Sokrates sprach mit diesen Personen und musste festellen, dass alle zwar viel wussten, aber noch viel mehr nicht wussten. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass derjenige weise ist, der weiß dass er nicht alles weiß. Gekürzt kann der Ansatz wie folgt dargestellt werden.
S ist weise, wenn S glaubt S weiß nicht alles.[2] (Ryan, 2007)
Wie sich aber bei näherer Betrachtung zeigt, wären dann auch Personen weise die wenig Wissen haben, aber nicht glauben viel zu wissen.
Sokrates Geschichte kann auch auf andere weise interpretiert werden. Unter (2) Weisheit als epistemische Genauigkeit versteht man, dass eine weise Person über vor allem gut geprüftes Wissen verfügt. Hier mag Ryans Formel etwas verwirren, drückt den Gedanken jedoch am klarsten aus.
S ist weise, wenn für alle p, (S glaubt S weis p, wenn S Glaube in p in hohem Grad gerechtfertigt ist).[3] (Ryan, 2007)
Aber auch hier zeigt sich ein ähnlich gelagertes Problem. Man stelle sich eine Person vor, die wenige unwichtige Dinge kennt, diese aber mit großer Sicherheit. Niemand würde diese Person als weise bezeichnen, bzw. sie etwa um Rat bitten.
Daraus ergibt sich die Notwenigkeit die Menge des Wissens in die Theorie mit einzubeziehen. Dabei kann man zwei verschiedene Wege gehen. Man kann eine Person als weise bezeichnen die über viel Faktenwissen verfügt (3). Wobei sich hier das Problem zeigt, dass auch reines Faktenwissen noch keine Weisheit bedingt. Dem Leser welchem diese Erklärung zu kurz erscheinen mag, verweise ich auf die folgenden Kapitel zu den psychologischen Weisheitstheorien.
Der zweite Weg versucht den lebenspraktischen Aspekt, das Wissen wie man ein gutes Leben führt mit einzubeziehen.
S ist weise, wenn S weis wie man gut lebt[4]. (Ryan, 2007)
Hier kann man Aristoteles als Kritik anführen.
Denn die Schlechtigkeit verkehrt das Urteil der Vernunft und führt hinsichtlich der Prinzipien des Handelns in die Irre, und so ist es offenbar unmöglich klug zu sein, ohne tugendhaft zu sein Neuerdings wird gesagt, daß die Klugheit ohne sittliche Tugend unmöglich ist[5]. (Nichomachische Ethik, VI 1144a)
Der letzte Ansatz (4) Weisheit als Wissen und Handeln bezieht diesen Aspekt mit ein.
S ist weise, wenn (i) S weis wie man gut lebt, und (ii) S ein gutes Leben führt.[6] (Ryan, 2007)
Als Schlussfolgerung kann Weisheit wie folgt zusammengefasst werden.
S ist weise wenn,
1. S viel faktisches und theoretisches Wissen besitzt,
2. S weis wie ein gutes Leben aussieht
3. S ein gutes Leben führt
4. S wenig ungeprüftes Wissen hat (Ryan, 2007)
Die Bedeutung der Kenntnis philosophischer Theorien für die Psychologie zeigt sich nicht nur in der Tatsache, dass viele Modelle philosophische Grundannahmen haben. Das Berliner Weisheitsparadigma[7] z.B. sieht den Aspekt einer guten Lebensführung als zentral an, ebenso wie der Begriff des „gemeinsamen Guts“ der Balance Theorie (Brugman, 2006, s. 447). Die ersten zwei Aspekte von Ryan spiegeln sich in den epistemische Weisheitstheorien wieder. Die Philosophie bietet dem forschenden Psychologen auch ein elaboriertes Begriffsinventar an die Hand, welches nach kritischer Durchsicht sehr wohl auch die psychologische Forschung befruchten kann. Hierbei sei als Beispiel nur auf den Einfluss von Wittgensteins Sprachphilosophie auf die Psychologie verwiesen.[8]
3. Abriss psychologischen Weisheitstheorien
Die psychologischen Ansätze können unter zwei Überschriften, der persönlichen und der allgemeinen Weisheit zusammengefasst werden (Staudinger & Dörner, 2007). Die Forschung zu persönlicher Weisheit findet hauptsächlich auf dem Gebiet der differentiellen Psychologie statt. Weisheit beschreibt hier eine reife, erfahrene Persönlichkeit bzw. den Endpunkt der persönlichen Entwicklung. Die Ansätze, welche Weisheit unter dem allgemeinen Aspekt betrachten haben eine engere Verknüpfung mit der historischen Weisheitsliteratur.
In der Psychologie können nach Staudinger & Dörner (2007) folgende Herangehensweisen unterschieden werden, Weisheit als postformales Denken in der Tradition Piagets, Sternbergs’s Balance Theorie oder das Berliner Weisheitsparadigma.
In der Tradition Piagets haben mehrere Forscher eine postformale Stufe des Denkens vorgeschlagen und diese mit reifem Denken und Weisheit verknüpft.
In Theorien über postformales Denken, wird Weisheit verstanden als komplexes und dialektisches Denken. Kriterien dafür sind Bewusstheit multipler Ursachen und Lösungen, Bewusstheit von Paradoxien und Gegensätzen sowie die Fähigkeit mit Unsicherheit, Unbeständigkeit, Mangelhaftigkeit und Kompromissen umzugehen[9]. (Staudinger & Dörner, 2007, s. 679)
Weisheit in Piagets Tradition ist verbunden mit einer offenen und toleranten Einstellung, wie sich in empirischen Untersuchungen gezeigt hat.
Sternbergs Balance Theorie
In Sternbergs Balance Theorie von Weisheit stellt stillschweigendes Wissen (tacit knowledge) über einen Selbst, über andere und über situative Kontexte den zentralen Begriff dar. Stillschweigendes Wissen ist handlungsorientiert, wird typischerweise ohne direkte Hilfe von anderen erworben, und erlaubt den Personen Ziele von persönlichem Wert zu erreichen. Laut Sternberg (1998) besitzt dieses Wissen drei Haupteigenschaften: a) es ist prozedural; b) es ist relevant für die persönliche Zielerreichung und c) es wird typischerweise ohne viel Hilfe von anderen erworben. Personen verwenden dieses Wissen also um Ziele von hohem persönlichem Wert zu erreichen, welche die Führung des Lebens betreffen. Abstraktes akademisches Wissen über Problemlösen ist zwar nicht hinderlich, stellt aber keine Grundlage von stillschweigendem Wissen dar. Eine weitere Konsequenz aus dieser Definition ist, dass Weisheit (stillschweigendes Wissen) nicht gelehrt werden kann. Es können zwar förderliche Umgebungsbedingungen geschaffen werden, aber tacit kowledge ist immer an Situationen geknüpft.
Die Balance in dieser Theorie betrifft die Interaktion einer Person mit ihrer Umwelt. Weise zu sein bedeutet, dass eine Lösung gut mit ihrem Kontext zusammenhängt.
Im Besonderen, wird Weisheit als das Anwenden von stillschweigendem Wissen vermittelt über persönliche Werte zum erreichen eines Allgemeinwohls verstanden. [10] (Sternberg, 1998, s. 353)
Dies kann erreicht werden indem zum einen eine Balance zwischen verschiedenen intrapersonellen, interpersonellen und extrapersonellen Interessen sowie eine Balance zwischen den Reaktionen auf die Umweltkontext (Gestaltung, Auswahl und Gewöhnung) geschaffen wird.
Weisheit steht nach Sternberg (1998) in enger Beziehung zu praktischer Intelligenz insofern, als dass stillschweigendes Wissen ein Kernkonzept von praktischer Intelligenz ist, die Fähigkeit verschiedene Arten von Informationsverarbeitungsprozessen der Intelligenz auf die Gestaltung, Auswahl bzw. Gewöhnung der Umwelt anzuwenden.
Die Hineinnahme von Werten in sein Modell, und die damit verbundene Gefahr der „Moralisierung“ begründet Sternberg (1998) damit, dass es Überlappungen zwischen Weisheitskonzepten und Konzepten des moralischen Schlussfolgerns, wie z.B. von Kohlberg (1969) gibt.
Staudinger und Dörner (2007) stellen unter dem Aspekt der persönlichen Weisheit drei Theorien vor. Websters Self-Assessement-Wisdom-Scale (SAWS), Loevingers Konzept der Ego Entwicklung und Labouvie-Viefs Dichotomie von Affekt Komplexität und Affekt Optimierung.
Self-Assesment-Scale
Websters Selbstbeschreibungsinstrument von Weisheit erfasst fünf Dimensionen von weisen Personen: emotionale Regulation, Erinnern und Reflektieren, Offenheit für Erfahrung, Humor und Erfahrung. Der SAWS korreliert hoch mit Erkiksons psychosozialer Entwicklungsstufe der Generativität. Es zeigt sich jedoch kein signifikanter Zusammenhang mit dem Alter. Die Konstruktvalidität lässt einen Zusammenhang mit persönlicher Weisheit vermuten.
Loevingers Konzept der Ego-Entwicklung
Loevingers bildete seine Stufen der Ego Entwicklung als sukzessive Entwicklung in Richtung psychologischer Reife. Dabei entfalten sich folgende vier Dimensionen: Impulskontrolle, Interpersonaler Stil, Bewusstseinsbeschäftigung[11] und kognitiver Stil. Daraus lassen sich wiederum acht Stufen bilden: impulsiv, selbstschützend, Konformist, ich-bewusst, gewissenhaft, individualistisch, autonom und ganzheitlich. Die meisten Personen werden zwischen den Stufen drei bis fünf eingestuft. Die achte Stufe wird in einer Zufallsstichprobe nur sehr selten angetroffen.
Die Ego Entwicklung wird mit Satz-Vervollständigungsaufgaben gemessen. Es zeigen sich z.B. hohe Korrelationen mit Offenheit für Erfahrung, mit Extraversion und Verträglichkeit. Weiters zeigt sich ein Zusammenhang mit lebenslangen Psychiater- bzw. Psychotherapeutenbesuchen. Wobei sich allerdings die Frage stellt, ob die Psychotherapie bei der Entwicklung hilft oder ob die „Weisheit“ die Bereitschaft fördert Psychotherapie zu suchen.
In Summe, deutet das Muster an Resultate um Loevingers Instrument der Ego Entwicklung an, dass das über Gegebenes hinausbewegen, die Realität klarer zu sehen, bestehende soziale Normen weiterzuführen, zentrale Eigenschaften von Weisheit also, nicht ohne Kosten daherkommen.[12] (Staudinger & Dörner, 2007, s. 681)
Labouvie-Vief
Labouvie-Vief verband die kognitive Theorie Piagets mit psychoanalytischen Ansichten und Bindungstheoretischen Ideen bei Erwachsenen. Der Ansatz kann als Wachstumstheorie bzw. Reifungstheorie verstanden werden, der Affektoptimierung (AO), die Tendenz Affekte auf positive Werte zu beschränken, sowie Affekt Komplexität (AC), die Verstärkung von Affekten bei der Suche nach Differenzierung und Objektivität verbindet. Wobei für die Reifung sehr wichtig ist, dass die Suche nach Komplexität und Differenzierung verbunden ist mit der Suche nach Optimierung von positiven Einflüssen. Diese Suche nach positiven Einflüssen wird wiederum von der Fähigkeit, Ereignisse und andere Personen auf offene Art und Weise wahrzunehmen, geleitet. Kombiniert man die zwei Dimensionen entstehen so, vier Persönlichkeitstypen.
Labouvie-Vief und Medler (Staudinger & Dörner, 2007) konnten zeigen, dass diese vier Typen in vorhersagbarer und systematischer Weise Indikatoren von psychologisches Funktionen sowie Alter sind. Zum Beispiel zeigen Personen mit hohen Ausprägungen in AO und AC höhere Ego-Entwicklung und höhere Intelligenz.
(Heidemarie König)
Während es bei expliziten Ansätzen darum geht, a priori eine wissenschaftliche Definition von Weisheit anzustreben, liegt der Fokus der impliziten Ansätze - oder auch laientheoretische Ansätze - auf der Untersuchung alltagssprachlicher Deutungen des Terminus. Also einfach gesagt, geht es bei Impliziten Theorien darum, was normale Menschen unter Weisheit verstehen.
4.2. Die Relevanz von Implizite Theorien zur Thematik Weisheit
Ein Großteil der empirischen Forschung fokussiert weitere Verfeinerungen von diversen Definitionen über den Begriff Weisheit. "Most empirical research of wisdom in psychology so far has focused on further elaboration of the definition of wisdom." (Staudinger & Dörner, S. 676)
Weiters sind es nicht nur Definitionen aus Wörterbüchern, Lexika oder Fachbüchern, die das Forschungsinteresse erweckten, sondern auch Alltagswissen beziehungsweise Alltagsglauben, gemeinschaftliche Ideen und implizite also subjektive Theorien verdienen es, exploriert zu werden. Allerdings wird die Forschung in diesem Terrain nicht so exzessiv betrieben, wie in manch anderen Bereichen. Problembehaftet ist immerhin schon die Tatsache, dass die ersten Uneinigkeiten bereits über die bestehenden Definitionen bestehen. Einzig klar ist, dass der Begriff Weisheit per se ein sehr komplexer ist. Weisheit ist, und das ist unumstritten, eine sehr komplexe Eigenschaft die empirisch sehr schwer zu operationalisieren ist.
Baltes (2004; zit. n. Brugman 2006) hat darauf hingewiesen, dass die wissenschaftlich entworfenen Theorien den Laientheorien in der Theorie überlegen sind. Schließlich sind Theorien von Wissenschaftlern besser fundiert, elaborierter und abstrakter. Dennoch darf man die Wichtigkeit von impliziten, laienhaften Theorien nicht unterschätzen. Sie spielen eine Rolle wenn es etwa darum geht, eine alltägliche Ratgeberfunktion einzunehmen.
4.3. Die Operationalisierung der Dimension Weisheit
Also was verstehen Laien unter Weisheit? "The pursuit of answers to questions … have been at the center of pschological wisdom research during the 1980s." (Staudinger & Dörner, 2007, S. 676).
Ganz grundsätzlich gibt es drei verschiedene Untersuchungsmethoden, um das Konstrukt Weisheit zu erfassen. Erstens gibt es Eigenschaftslisten. Bei dieser Methode geht es darum, herauszufinden welche Eigenschaften Laien mit dem Begriff Weisheit assoziieren. Zweitens finden auch noch experimentelle Studien Einsatz, bei denen es darum geht, welche Eigenschaften ausschlaggebend dafür sind, damit jemand als weise eingeschätzt wird.
Last but not least gibt es als dritte Alternative verschiedene Studien zur eigenen Erfahrung mit der Thematik Weisheit. Bei dieser Methode geht es letztendlich darum, wen Laien als weise bezeichnen und auch darum, in welchen Situationen Laien glauben, selbst einmal besonders weise gewesen zu sein.
Dies war nun lediglich ein kurzer Abriss dessen, wie in der empirischen Forschung an das Konstrukt Weisheit herangegangen wird. Im Anschluss werden die genannten Methoden etwas detaillierter geschildert.
In verschiedenen Studien ging es darum, Antworten zu finden. Antworten auf folgende Fragen:
· Was ist Weisheit?
· Was unterscheidet Weisheit von anderen Intelligenzen?
· Welche Situationen verlangen Weisheiten?
· Was ist eine weise Handlung?
· Welche Charakteristiken besitzen weise Menschen?
· Wen würden Sie als weise bezeichnen?
All diese Fragen standen, wie bereits erwähnt, im Mittelpunkt aller wissenschaftlichen Aktivitäten in den 80er Jahren. Eine besondere Stellung im Bereich der Weisheitsforschung hält Clayton inne. Von ihr und ihren Kollegen gingen 1975 die Studien zu den oben genannten Fragen aus. Ihre Methodologie war es, Laienkonzepte der Weisheit zu identifizieren, welche sich dann auch verbreitet haben.
Beispielsweise wurden Laien und Experten (zum Beispiel Professoren aus den verschiedensten Bereichen) gebeten, Listen zu erstellen, in denen sie sämtliche Weisheitsbezogene Charakteristika einfließen ließen. Daraus resultierte natürlich eine enorm große Anzahl von Items. Dieser Itempool wurde dann auf Synonyme und Redundanzen untersucht, (Redundanz bedeutet hier, wenn Wörter mehrfach vorkommen) und anschließend wurden die Eigenschaften zu unterschiedlichen Listen zusammengefasst und dann einer größeren Gruppe von Laien präsentiert. Diese Gruppe musste dann beurteilen, wie typisch die jeweilige Eigenschaft für Weisheit ist, das heißt, die Ergebnisse wurden bewertet - mit Fokus auf Weisheitsbezogenheit und Begriffe, die für Weisheit typisch sind.
Nachträgliche faktorenanalytische Berechnungen werden häufig genutzt, um herauszufinden, welche Dimensionen zu Grunde liegen. Und auch in diesem Fall werden nachträgliche Faktorenanalysen durchgeführt. Diese Art der Methodologie war nicht nur für Clayton zufrieden stellend, auch viele andere Forscher haben sich auf eine Forschung mit Eigenschaftslisten gestützt.
Aus Clayton und Birrens (1980, zit. n. Staudinger & Dörner, 2007) Studie ergaben sich letztendlich 3 Dimensionen, die der Prototyp einer weisen Person unbedingt erfüllen muss:
1) affektive Charakter: Empathie und Mitgefühl
2) reflektive Prozesse - Introspektion und Intuition
3) kognitive Kapazitäten: Erfahrung und Intelligenz
Diese Dimensionen werden übrigens heute gleichermaßen gefunden. Wobei auch angemerkt werden muss, dass auch neuere Dimensionen dazugekommen sind. (siehe Abbildung 2). Beispielsweise benennen Holliday und Chandler (1986, zit. n. Staudinger & Dörner, 2007) ihre Dimensionen Allgemeine Kompetenzen, Verständnis, Unaufdringlichkeit, soziale Intelligenz und Urteilsvermögen.
Intelligenz, Intuition, Lernfähigkeit, Verständnis und Urteilsvermögen wurden die Dimensionen nach Sternberg (1985, zit. n. Staudinger & Dörner, 2007) benannt.
Hershey und Farrell (1997, zit. n. Staudinger & Dörner, 2007) subsumierten die Begriffe, Egoismus, Aufrichtigkeit und Basistemperament unter ihre Dimensionen.
Zu guter Letzt haben Jason et al. (2001, zit. n. Staudinger & Dörner, 2007) die Dimensionen als Wärme, Harmonie, Intelligenz, Naturverbundenheit und Spiritualität genannt.
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Bluck und Glück (2005, zit. n. Staudinger & Dörner, 2007) haben in ihren Untersuchungen über implizite Theorien ihren Schwerpunkt auf den Unterscheid zwischen "real-world-skills" (Umsetzung in schwierigen Situationen) und "interpersonal skills" (Sorge um andere), im Gegensatz zu Kapazitäten mit weniger interaktiver Färbung wie beispielsweise kognitive Fähigkeit, Durchblick und reflektive Einstellung gesetzt.
Generell sind die Resultate der Studien auch abhängig von dem zugrunde liegenden Itempool.
Hershey und Farrell haben eine Studie entwickelt, wo es darum ging, Charakteristiken zu definieren, die definitiv nichts mit Weisheit zu tun hatten - diese führte zu einer Dimension, die sie Egoismus nannten. Diese Dimension beinhaltet demzufolge Attribute, die als unweise deklariert werden.
Zusätzliche Dimensionen tauchen dann auf, wenn man einen anderen Forschungsansatz tätigt. Und zwar, wenn Individuen über ihre eigenen Erfahrungen bezüglich Weisheit befragt werden. Typisch für diesen Ansatz sind Nominierungsstudien. In den eben erwähnten Studiendesigns geht es darum, dass Individuen aufgefordert werden, sich an Personen zu erinnern, die sie explizit als weise empfinden. Die resultierenden Namen werden dann auf einen Gemeinheitsgrad untersucht.
Anmerkung: Die Top-15 einer Studie waren z. B.:
1. Gandhi |
6. Mutter Teresa |
11. Winston Churchill |
2. Konfuzius |
7. Salomon |
12. Dalai Lama |
3. Jesus Christus |
8. Buddha |
13. An Landus |
4. M. L. King |
9. Papst |
14. Nelson Mandela |
5. Sokrates |
10. Oprah Winfrey |
15. Queen Elizabeth |
Einige Ergebnisse der Nominierungsstudie:
· die meisten genannten - als weise deklarierten - Menschen waren um die 60 Jahre; also durchwegs Personen höheren Alters
· es waren meistens Leute, die eine Führungsposition inne haben oder aufgrund von moralischen Prinzipien handeln; die genannten Personen wurden also oft aufgrund der Tatsache genannt, dass sie mit Ratgeberfunktionen bei schwierigen Lebensprobleme in Verbindung gebracht hatte;
· bei Privatpersonen: Frauen nennen öfter Familienmitglieder - Männer berufliche Bekannte
4.4. Zweck der Weisheits-Forschung
Letztendlich kann man sich auch fragen, was ist eigentlich der Zweck von Weisheit im Alltagsleben? Wenn man Bezug nimmt auf Autobiografien und strukturierte Interviews ergeben sich 3 Formen der Weisheit:
1) Empathie und Unterstützung
2) Selbst-Bestimmung und Behauptung
3) Wissen und Flexibilität
ad 2)
Selbstbestimmung und Behauptung
Im Gegensatz zu den zwei anderen Faktoren kann erkannt werden, dass es sich hier um einen Aspekt handelt, der zu Tage tritt, wenn Leute über ihr Leben befragt werden und so Gedanken, Gefühle und Motivationen an die Oberfläche kommen.
Ein ähnliches Resultat wurde in einer Analyse von weisen Handlungen gefunden, welche auf innere Motive oder die Beziehung zwischen Intentionen und äußeren Umständen fokussiert.
Verschiedene Ansätze können den Wissensstand auch bereichern. "Hence, different approaches to the study implicit notions of wisdom yield findings that supplement and enrich the results from other studies." (Staudinger & Dörner. S 676).
Oser
et al. charakterisierten weise Handlungen wie folgt:
1) paradox und unerwartet
2) moralisch aufrecht
3) selbstlos
4) bewältigen von internalen und externalen Diktaten
5) strebt Richtung Gleichgewicht
6) beinhaltet ein Risiko
7) strebt danach, das menschliche Befinden zu verbessern
Wenn man die Forschung zu impliziten Theorien über Weisheit und weise Personen ins Auge fasst, ist es offenkundig, dass Menschen aus der westlichen Welt durchgehend klare Vorstellungen über Weisheit haben. Die Frage, die an diesem Punkt dann auftaucht ist jene, dass man sich fragt, wie es in andern Kulturen aussieht. Würde man in verschiedenen Ländern zu ähnlichen Ergebnissen kommen?
Takahashi und Bordia (2005, zit. n. Staudinger & Dörner, 2007) haben sich dieser Forschungsfrage zugewandt, und die impliziten also laienhaften Definitionen von Weisheit einer ausgesuchten Gruppe vorgelegt. Genauer gesagt wurden junge Erwachsene aus den Vereinigten Staaten, Australien, Indien und Japan gebeten, sich den Definitionen anzunehmen.
Das Ergebnis war, dass die Assoziation zwischen Weisheit und kognitiven Variablen zwar durchwegs in den westlichen Beispielen gefunden wurden, im ostasiatischen Bereich jedoch nicht so stark wahrgenommen wird. Was genauer gesagt heißt, dass im ostasiatischen Raum andere Charakteristiken - die Weisheit betreffend - zum tragen kamen. Typische Kriterien im asiatischen Raum waren alt beziehungsweise bejahrt, erfahren, besonnen,…
Auf der anderen Seite war die Assoziation mit Weisheit zu Erfahrung und praktischem Wissen stärker im Asiatischen Raum als in den Westlichen Gefilden.
Wenn man versucht alle Ergebnisse zusammenzufassen, wie Menschen aus verschiedenen Kulturen Weisheit, weise Personen und weise Handlungen sehen, dann sind insgesamt fünf Ergebnisse nennenswert:
1) viele Menschen glauben, dass Weisheit sehr eng mit weisen Personen und ihren Handlungen verbunden ist, die sozusagen als Bote für ihre Weisheit fungieren
2) von weisen Individuen erwartet man, dass sie Eigenschaften der Psyche und des Charakters verbinden können und dass sie multiple Interessen balancieren können
3) Weisheit ist Träger eines starken interpersonellen und sozialen Aspektes unter Berücksichtigung
4) Weisheit weist eine Überlappung mit anderen, ähnlichen Konzepten auf - zum Beispiel mit Intelligenz, aber auch mit Aspekten wie Klugheit, Interaktion mit Kognitionen, Emotionen und Motivationen, teilt der Begriff einiges an Varianz
5) es scheint, als ob es einen Unterschied macht, ob jemand versucht seine eigene Weisheit geistig zu erfassen, oder ob er die Weisheit einer anderen prototypischen Person beschreiben möchte
(
Laut Brugman (2006) ergeben sich aus einer Vielzahl von Theorien, Hypothesen und Definitionen über Weisheit im Wesentlichen zwei Arten von Theorien in der Psychologie: die Epistemologischen und die Pragmatischen. Diese beiden Richtungen erklären zwei unterschiedliche Sichtweisen von Weisheit in der westlichen Kultur.
Die pragmatischen Theorien legen ihren Akzent auf das Wissen, wie man in einer moralischen, sittlichen Weise leben soll: Weisheit soll als Instrument genutzt werden, dass einem zeigen soll, wie man ein gutes Leben lebt, in dem man sich selbst und auch andere respektiert. Während sich die epistemologischen Theorien auf die Grenzen der menschlichen Bemühungen beziehen hinsichtlich der Erkennbarkeit der Wirklichkeit. Sie legen ihren Akzent auf die Machtlosigkeit der Menschen und auf die beschränkten Möglichkeiten in der Wirklichkeit zu handeln. Kurz gesagt: Der Mensch ist nicht fähig die Wirklichkeit zu erkennen.
Der empirische Nachweis für die Gültigkeit epistemologischer Theorien ist laut Brugman (2006) geringer, als jener für die pragmatischen Theorien. Die "Reflecting Judgement" Theorie zum Beispiel brachte lediglich einige wenige interessante Studien hervor, welche allerdings aufgrund ihres Designs einzigartig in diesem Bereich sind. Die Theorie von Meacham wurde hingegen noch nicht empirisch überprüft.
Die epistemologischen Theorien beschreiben Weisheit als das Wissen über Unsicherheit.
Um nun genauer auf die pragmatischen und epistemologischen Theorien einzugehen, sollen nun zunächst die einzelnen Vertreter der epistemologischen Theorien genauer erklärt werden.
Laut Brugman (2006) war Meacham einer der ersten Psychologen, der die eigene Haltung in Richtung Wissen als das zentrale Element der Weisheit fokussiert hat.
Er ging von der Annahme aus, dass es in Individuen ein spezielles Verhältnis gibt zwischen dem, was man weiß und dem, was man weiß nicht zu wissen. Die Position dieser beiden Dimensionen kann sich allerdings ändern und wenn sich diese Dimensionen ungleichmäßig verändern, hat dies einen Effekt auf die Ratio. Ein Kind weiß weniger als ein Erwachsener, aber wenn das Kind sich darüber bewusst ist, dass es noch mehr gibt, das man wissen kann (wissen / wissen, das man nicht alles weiß), so wird die Ratio des Kindes kleiner sein, als die des Erwachsenen, der davon überzeugt ist, dass das was er weiß bereits alles ist, das man wissen kann.
Für Meacham besteht Weisheit aus dem Finden einer Balance zwischen der Sicherheit und dem Zweifel bzw. aus dem Finden eines Mittelweges zwischen beiden. Zu viel an Sicherheit oder Zweifel ist mit Weisheit nicht vereinbar (Brugman, 2006, S. 453).
Mit Respekt gegenüber Älteren, argumentiert Meacham, dass eine große Ansammlung von Wissen über die Lebensspanne zu einem Ansteigen des Vertrauens bzw. der Sicherheit bezüglich des eigenen Wissens führen kann. Mit anderen Worten kann dies zu einem Verlust der Weisheit führen. Andererseits können negative Lebensereignisse zu einem Abnehmen der Sicherheit bzw. einem Ansteigen von Zweifel und damit auch zum Verlust von Weisheit führen (Brugman, 2006, S. 453).
Meacham's Weisheitsmodell setzt sich aus zwei Dimensionen zusammen (Brugman, 2006, S. 453):
a) die altersunabhängige = Kern der Weisheit, die Balance zwischen Sicherheit und Zweifel[13]
b) die altersabhängige = die Qualität, die Tiefe der Weisheit[14]
Nach dieser Sichtweise werden Menschen weise geboren. Die Meisten verlieren die Weisheit aber wieder im Laufe ihres Lebens.
Meacham's gewagte Theorie wurde bis jetzt empirisch noch nicht geprüft, da die Konzepte Mittelweg und Balance sehr schwer zu operationalisieren sind.
5.2. Die Reflective Judgement Theorie (Kitchener)
Die Reflective Judgement Theorie von Kitchener wurde 1983 entwickelt und ist keine Theorie über Weisheit im eigentlichen Sinne, dennoch passt sie sehr gut in das epistemologische Paradigma, in dem Weisheit als eine Haltung Richtung Wissen definiert wird (Meacham, 1990, zit. n. Brugman, 2006, S. 453).
Die Reflective Judgement Theorie ist laut Brugman (2006) eine Stufentheorie bezüglich der Entwicklung der eigenen Einstellung. Auf sieben Stufen entwickelt sich das Individuum vom reinen Akzeptieren des Wissens ohne Neigung es zu rechtfertigen, bis hin zur letzten Stufe, auf der Wissen mittels eines Prozesses entwickelt wird, bei dem sinnvolle Fragen zu generalisierten Annahmen über das Problem werden, während die Rechtfertigung des Wissens probabilistisch (wahrscheinlichkeitstheoretisch) ist und sich entwickelt über Beweise und Argumente unter der Benutzung von generalisierbaren Kriterien. Salopp gesagt: Die Facetten des Wissens verändern sich in ihrer Qualität über sieben Stadien von naiven bis hin zu reifen epistemologischen Überzeugungen.
Die sieben Stufen der Reflective Judgement Theorie (Brugman, 2006, S. 454):
Sicht
von Wissen |
Konzept
der Rechtfertigung |
1. Wissen existiert einfach |
Rechtfertigung ist nicht notwendig |
2. Wissen ist absolut sicher |
Glauben wird nicht gerechtfertigt oder gerechtfertigt von einer Autorität |
3. Wissen ist absolut sicher oder zeitlich unsicher |
Rechtfertigung durch eine Autorität, wenn das nicht möglich ist, wird das die Intuition machen |
4. Wissen ist idiosynkratisch |
Rechtfertigung durch idiosynkratischen Gründe |
5. Wissen ist kontextual und subjektiv |
Rechtfertigung in einem bestimmten Kontext via Regeln der Untersuchung über diesen Kontext |
6. Wissen ist persönlich konstruiert über die Evaluation von Beweisen, Meinungen anderer, etc. |
Rechtfertigung durch vergleichen von Beweisen der verschiedenen Seiten eines Problems und durch den Kontext und durch das Konstruieren von Lösungen evaluiert durch persönliche Kriterien |
7. Wissen wird mittels eines Prozesses konstruiert, bei dem sinnvolle Fragen zu generalisierten Annahmen über das Problem werden |
Probabilistische Rechtfertigung mittels Beweisen und Argumenten mittels generalisierbare Kriterien |
Die Reflective Judgement Theorie ist an Erwachsenen, vor allem an Studierenden, gut untersucht und belegt.
5.3. Die Epistemic Wisdom Theorie (Brugman)
Diese Theorie entstand laut Hankinson (1995, zit. n. Brugman, 2006, S. 454) aus der skeptischen Tradition der hellenistischen Philosophie heraus, wobei spätere Entwicklungen in der skeptischen Tradition auch in diese Theorie integriert wurden, beispielsweise die Schriftstücke von David Hume. Die Theorie stammt vom hellenistischen Skeptizismus ab - der von Pyrrhon of Elis gegründet worden ist. Der Kern des hellenistischen Skeptizismus (der aus dem 2. Jahrhundert stammt) besteht aus dem "suspending judgement" (Brugman, 2006, S. 454), was so viel heißt wie ein Außerkraftsetzen der Entscheidungen.
Für die pyrrhonischen Skeptiker war der einzige Weg, der zu "Eudaimonia" (Glückseligkeit) oder dem guten Leben führt, in einer epistemologischen Einstellung begründet: Diese spiegelt sich in der Tatsache wider, wenn jemand Argumente ausspricht - Skeptiker sind immer bestrebt Argumenten zu entgegnen - ohne sich entscheiden zu können, welches dann besser sind (isosthenia), führt dies zu einer Außerkraftsetzung der Entscheidung (epochè). Dies würde weiters zur Ataraxia oder zur Seelenruhe führen. Ataraxia ist die Bezeichnung der Epikureer und Pyrrhoneer für das Ideal der Seelenruhe. Sie bezeichnet als seelischen Zustand die Affektlosigkeit und die emotionale Gelassenheit gegenüber Schicksalsschlägen und ähnlichen Außeneinwirkungen, die das Glück des Weisen (Eudaimonie) gefährden. Letztendlich führt es zu einem Leben ohne Glauben.
Charakteristisch für die Skeptiker war (Burnyeat & Frede, 1997; Hankinson, 1995, zit. n. Brugman, 2006, S. 454):
a) ihr leidenschaftliches Streben nach der Wahrheit[15]
b) ihre Anerkennung der Hindernisse, die auf dem Weg zur Wahrheit liegen[16]
c) ihr versuchen, aus ihrer epistemologischen Einstellung zu fundamentalen Fragen über das Benehmen im Leben und Fragen über eudaimonia, oder das gute Leben zu kommen[17]
Es kam schließlich zur Entwicklung eines Modells, das drei Komponenten unterscheidet:
· die Meta-Kognition
· die Persönlichkeit /Affekt
· das Verhalten
Der Kern der Weisheit ist nach Brugman (2006) das Anerkennen der Unsicherheit, was eine flexiblere Einstellung gegenüber Informationen begünstigt. Diese Anerkennung der Unsicherheit ist allerdings alleine nicht ausreichend. Zwei weitere Komponenten müssen auch als Notwendig angesehen werden, nämlich die Persönlichkeitskomponente und die Verhaltenskomponenten.
Ähnlich wie beim Berliner Weisheitsparadigma sind Persönlichkeit und auch Affekt grundlegend für Weisheit.
Menschen neigen dazu, an Dingen festzuhalten, auf der Suche nach Sicherheit, weg von der Angst des Nichtwissens, und weg von der Unsicherheit, weil sich daraus die Unmöglichkeit ergibt, Ergebnisse vorherzusagen, was auf Kontrollverlust hinausläuft. Daraus ergibt sich, dass emotionale Stabilität eine notwendige Voraussetzung für das Individuum ist, um effektiv mit Unsicherheit umzugehen, sich damit abzugeben, keine Vorhersagen machen zu können oder die Kontrolle zu verlieren (Brugman, 2000; Paul & Baltes, 2003; Staudinger et al., 1998, zit. n. Brugman, 2006, S. 455).
Weiters ist auch die Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen notwendig. Fixe Vorstellungen, Festhalten an der Sicherheit, schließt das Suchen nach widersprechenden Informationen aus. Die Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen geht mehr mit der Toleranz gegenüber Mehrdeutigkeit einher (Brugman, 1996, zit. n. Brugman, 2006, s. 455).
Die dritte Komponente ist laut Brugman (2006) das Verhalten in der Natur, merkbar im Stande zu sein, im Namen der Unsicherheit zu handeln. Ein Argument gegen den Skeptizismus war immer die Tatsache, dass es Trägheit unterstellt (Weintraub, 1997, zit. n. Brugman, 2006, S. 455). Was ist der Sinn von Handlungen, wenn sich jemand nicht sicher ist über sein Wissen über die Realität. Cratylus (ca. 400 vor Christus) entschied niemals ein Statement zu machen, über dessen Wahrheit er nicht sicher sein kann. Übereinstimmend mit Bertrand Russell, ist die Aufgabe der Philosophie das Lernen, wie man ohne Sicherheit leben kann, ohne durch Unschlüssigkeit gelähmt zu sein. Einige Lösungen für dieses Problem wurden vorgeschlagen. So hatten die hellenistischen Skeptiker beispielsweise eine einfache Lösung: …lebe ein Leben ohne Kommentare.
6. Exemplifizierung einer Pragmatischen Theorie: Das Berliner Weisheitsparadigma
(
Dieser pragmatische Ansatz ist empirisch am besten bestätigt, die empirische Evidenz wächst stetig (e.g.: Baltes & Kunzmann, 2003a,b; Pasupathi & Staudinger, 2001;Paul & Baltes, 2003; Staudinger, 1999; zit. n. Brugman, 2006, S. 448). Er entstand Anfang der 90er Jahre und beruft sich wiederum auf theoretische Auffassungen über Intelligenz (-entwicklung) im Erwachsenenalter aus den 80er Jahren, wie sie von Baltes und Dittmann-Kohli entwickelt wurden (Baltes, Dittmann- Kohli, & Dixon, 1984; Dittmann-Kohli, 1984, zit. n. ebd., S. 449).
Die Forschungsgruppe um Paul B. Baltes (e.g., Baltes & Kunzmann, 2003; zit. n. Kunzmann, 2004, S.505) definierte Weisheit als
Expertenwissen über elementare Fragen zu Lebenssinn und -führung. [18]
Baltes & Staudinger (2000, zit. n. Brugman, 2006, S. 449) erweiterten diese Definition, Weisheit umfasst demnach zudem die
Befähigung zu einer vollkommenen Lebensführung[19]
- wobei diese sowohl die Steuerung der persönlichen, als auch der kollektiven Entwicklung impliziert. Letztere setzt eine positive Einflussnahme der weisen Person auf die Entwicklung anderer voraus.
Das weisheitsbezogene Expertenwissen wurde anhand von fünf Metakriterien näher beschrieben, diese sind (Baltes, zit. n. Kunzmann, 2004, S. 505ff):
Deklaratives und prozedurales Wissen[20], welche für jede Form des Expertenwissens kennzeichnend sind. In Hinblick auf weisheitsbezogenes Expertenwissen (Expertise) kann man sie präziser als faktisches Wissen "über die menschliche Natur, die Lebensentwicklung, -führung, interindividuelle Unterschiede in Entwicklungsprozessen, sowie der Erreichung von Entwicklungsstufen, über soziale Beziehungen und Normen"[21] (Staudinger & Dörner, 2007, S. 680) sowie als prozedurales Wissen über den Umgang mit elementaren Lebensfragen, wie etwa Fragen nach Lebenssinn und -führung beschreiben. Dieses prozedurale Wissen umfasst z. B. Heuristiken zur Beratung anderer und Strategien zum Umgang mit Lebenskonflikten bzw. Lebenskrisen.
Die übrigen drei Metakriterien gelten als spezifisch für die weisheitsbezogene Expertise. Diese sind:
Lifespan contextualism: Wissen über die verschiedene Lebenskontexte, die Art, wie diese verknüpft sind, und wie sie sich über die Lebensspanne hinweg verändern.
Weise Personen sind durch dieses Wissen fähig, Lebensprobleme in Relation zu verschiedenen Lebenskontexten (z. B. Bildung, Familie, Arbeit, Öffentlicher Raum, Freizeit etc.) und in Hinblick auf die Entwicklung über die Lebensspanne (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) zu sehen.
Value relativism and tolerance: Gemeint ist die Fähigkeit, die Unterschiedlichkeit persönlicher und kultureller Werte und Lebensziele anzuerkennen und das Bestehen dieser Differenzen bei der Auseinandersetzung mit Problemen der Lebensführung und - sinnhaftigkeit zu berücksichtigen.
Awareness and management of uncertainty: Dieses Kriterium bezieht sich auf das Verstehen, dass Lebensentscheidungen, -betrachtungen oder -pläne immer Momente der Ungewissheit und Offenheit in sich tragen werden, dennoch aber unumgehbar sind und bestmöglich gefällt bzw. gefasst werden sollen. In Zusammenhang mit diesem Verstehen hat eine weise Person Wege entwickelt, mit ebendiesen Unsicherheiten des Lebens umzugehen.
Weisheitsbezogenes Wissen wie es die Gruppe um Baltes verstanden wissen will, liegt dann vor, wenn all diese fünf Metakriterien (von einem Individuum) erfüllt werden.
Die Definition im Rahmen des Berliner Weisheitsparadigmas impliziert, dass Weisheit nicht intellektuelles oder technisches (im Sinne von: prozeduralem, praktischem) Wissen im engeren Sinne ist. Vielmehr schließt diese Form der Expertise Wissen über menschlichen Emotionen, Motive und Triebe ein. So setzt etwa ein bedeutendes Wissen im Bereich Lebensunsicherheiten und Umgang mit denselbigen Wissen über Emotionen, die im Umgang mit Unsicherheiten entstehen, ein.
Werterelativismus und Toleranz involviert ein Verständnis menschlicher Motive und deren Veränderbarkeit im Laufe des Lebens. Life contextualism wiederum setzt Wissen über idiographische und normative Lebensereignisse (live events) voraus.
Da im Gegensatz zur Balance Theorie von Sternberg, in welcher Weisheit als eine Form der praktischen Intelligenz definiert wird, Weisheit im Rahmen des Berliner Weisheitsparadigmas weder als eine Intelligenzform, noch als eine Persönlichkeitsdimension erachtet wird, kann sie nicht durch psychometrische Tests operationalisiert werden (Baltes & Kunzmann, 2003, zit. n. Brugman, 2006, S. 449 ff).
Im
Rahmen des Berliner Weisheitsparadigmas wird vielmehr empirisch folgendermaßen
vorgegangen:
Die UntersuchungsteilnehmerInnen werden zunächst instruiert, Kurzgeschichten, die verschiedene elementare Lebensprobleme beinhalten, zu lesen und hierbei laut zu denken (Baltes & Smith, 1990; Baltes & Staudinger, 2000; zit. n. Kunzmann, 2004, S. 506). Vorgegeben werden Dilemmata, die sich durch ihren geringen Grad der Definiertheit und das Bestehen vielfältiger, um nicht zu sagen, unendlich vieler Möglichkeiten der Lösung auszeichnen.
Beispiele für Dilemmata, wie sie vorgegeben wurden:
In reflecting over their lives, people sometimes realize that they have
not achieved what they had once planned to achieve. What could they do and consider?
(ebd., S. 506)
"A 15-year-old girl wants to get married right away. What could she consider and do?" (ebd.)
Qualitativ hochwertige Antworten, die von Weisheit zeugen, setzen somit nicht allein intellektuelle Fähigkeiten, sondern darüber hinaus emotionale, motivationale und soziale Kompetenz voraus.
Zur Demonstration einer überdurchschnittlich "weisen" Antwort bei dem zweitgenannten Dilemmata sei hier ein Exzerpt referiert (ebd.):
"Well, on the surface, this seems like an easy problem. Marriage
for 15-year-old girls typically is not a good thing. Thinking about getting married,
however, is not the same as actually doing it. I guess many girls think about
it without getting married in the end… and there are situations where the
average case doesn't fit. Perhaps special life circumstances are involved. The
girl may have a terminal illness. She may not be from this country or perhaps
she lives in another culture…."
Diese Denke- Laut - Protokolle werden von erfahrenen Ratern hinsichtlich der fünf Metakriterien evaluiert. Hierfür erfolgt eine Einschätzung der Kriterien auf siebenstufigen Skalen. Die derart ermittelten Scores konnten eine zufrieden stellende Reliabilität und Validität aufweisen, d. h. sie stellen zufriedenstellende Einschätzungen der quantitativen und qualitativen Ausprägung weisheitsbezogenen Wissens dar(Kunzmann, 2004, S. 506). Personen, die nach subjektiven Meinungen im Vorfeld der Studie als weise nominiert worden waren, konnten im Vergleich zu Kontrollpersonen unterschiedlicher Alters- und Bildungsgruppenzugehörigkeit, die nicht als "Weise" nominiert worden waren, höhere Scores in den genannten Kriterien erzielen (Staudinger & S. Dörner, 2007, S. 680).
Im Rahmen des Berliner Weisheitsparadigmas wurden auch Annahmen über die Bedingungen der Entwicklung von Weisheit konzeptualisiert. Eine erste Annahme dieses ontogenetischen Modells ist es, dass ein extensiver und intensiver Lernprozess, sowie begleitende praktische Realisierungen des Gelernten mit der Erlangung von Weisheit verknüpft sind.
Eine weitere Annahme erwächst aus der Tatsache, dass Weisheit als eine integrative Fähigkeit sowohl Wissen als auch Charaktereigenschaften involviert; aus diesem Grund sind an der Entwicklung von Weisheit notwendigerweise eine Reihe von multiplen Faktoren und Prozessen beteiligt.
Es wird darüber hinaus angenommen, dass verschiedene Wege zur Erlangung von Weisheit existieren. Folglich kann ein- und dieselbe Ausprägung weisheitsbezogenen Wissens auf der Beteiligung unterschiedlicher Kombinationen von förderlichen Faktoren und Prozessen beruhen. Mehr noch, selbst wenn bestimmte Faktorenkombinationen in gleicher Weise bei Individuen vorliegen, erreichen manche eine stärkere Ausprägung von Weisheit, da sie förderliche Prozesse rascher durchlaufen.
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Hinsichtlich förderlicher Faktoren werden im Entwicklungsmodell drei Gruppen unterschieden:[22]
1. Kontextbezogene Faktoren: Zu diesen zählen z. B. das Alter, die sozialen Interaktionen einer Person, ihre Kultur/ Religion etc.
2. Expertenwissensbezogene Faktoren: Wie etwa Lebenserfahrung(en), praktische Erfahrungen im Rahmen von bestimmten Professionen, Unterstützung durch Mentoren respektive eigenes Einnehmen der Mentorenrolle für andere.
3. Personenbezogene Faktoren: Wie etwa Intelligenz, Persönlichkeitseigenschaften (traits), emotionale Dispositionen und Motive.
Diese drei Faktorengruppen beeinflussen die Entwicklung weisheitsbezogenen Wissens, indem sie den Kontext der Entwicklungsregulation, welcher Lebensplanung, Lebensmanagement und Lebensrückblicke und -bewertungen umfasst, determinieren.
Die Relationen zwischen förderlichen Faktoren, dem Kontext der Entwicklungssteuerung und weisheitsbezogenem Wissen - wobei letzteres sowohl als Aneignungsprozess, sowie als Resultat von Lern- bzw. Entwicklungsprozessen gesehen wird - werden als bidirektional und kummulativ angesehen.
Dieses Entwicklungsmodell weisheitsbezogenen Wissens hat nahezu sämtliche empirischen Forschungen, die im Rahmen der Berliner Weisheitsgruppe in den letzten zweiten Jahrzehnten unternommen wurden, determiniert.
Beispielhaft für den förderlichen Faktor Alter sei das Ergebnis einer Studie zum Einfluss des chronologischen Alters auf weisheitsbezogenes Wissens erwähnt: Es konnte ein starkes Anwachsen weisheitsbezogenen Wissens in der Adoleszenz sowie im frühen Erwachsenenalter festgestellt werden, welches im Erwachsenenalter bei vielen stagniert(e.g., Pasupathi, Staudinger, & Baltes, 2000; zit. n. Kunzmann, 2004, S. 507).
Dieses Ergebnis scheint auf dem ersten Blick unserem intuitiven Verständnis zuwiderzulaufen, verträgt aber nichtsdestotrotz mit dem dargelegten Entwicklungsmodell, welches Alter als einen förderlichen Faktor annimmt, der für sich gesehen aber nicht notwendigerweise zu Weisheit führen muss: Es ist vielmehr das Zusammenspiel mit weiteren Faktoren nötig.
Die folgenden, zu referierenden Studien liefern den empirischen Beleg dafür, dass Weisheit eine integrative menschliche Fähigkeit ist und als solche nicht nur intellektuelle, sondern auch emotionale und motivationale Aspekte umfasst.
Während in den ersten beiden Studien traits, persönliche Einstellungen, sowie Motive in Verbindung mit dem Konstrukt Weisheit erfasst werden sollten, wurde in der dritten Studie der Frage empirisch nachgegangen, ob im Rahmen von Weisheit relevantes Wissen/weisheitsspezifisches Wissen Auswirkungen auf emotionale Reaktionen zeigt, wenn TeilnehmerInnen mit life problems konfrontiert werden.
Staudinger, Lopez und Baltes (1997, zit. n. ebd., S. 512) untersuchten empirisch drei Faktoren, welche als Korrelate von weisheitsbezogenem Wissen im Rahmen eines Modells, welches die Genese von weisheitsbezogenem Wissen konzeptualisiert, postuliert werden. Die drei untersuchten Generalfaktoren sind: Testintelligenz, Persönlichkeitseigenschaften (traits) und sozialkognitive Stile. Es war die Intention der Autoren, die Hypothese, dass Intelligenz, wie sie in psychometrischen Tests operationalisiert wird, ein schwacher Prädiktor für weisheitsbezogenes Wissen, sei, zu erhärten. Vielmehr seien Persönlichkeitseigenschaften und insbesondere sozialkognitive Stile in der Vorhersage und Erklärung von weisheitsbezogenem Wissen relevant. Der erste Teil der Studie an 125 erwachsenen Untersuchungsteilnehmern lief gemäß der bereits oben erwähnten Standardprozedur ab, zu diesem Zwecke wurden Einzelinterviews geführt. In einem weiteren Teil wurden 33 Variablen untersucht; es handelte sich hierbei um unterschiedliche Indikatoren für Intelligenz (Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung, Schlussfolgerndes Denken, praktisches Wissen), Persönlichkeit (Neurotizismus, Extraversion, Verträglichkeit, Offenheit für Erfahrung etc.) und sozialkognitive Stile (z.B. soziale Intelligenz, Kreativität, …).
Die Studie zeigte, dass nicht alle Indikatoren in signifikanter Weise weisheitsbezogenes Wissen vorhersagen können. Beispielsweise konnten keine signifikanten Zusammenhänge mit der abhängigen Variable bei den Variablen Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung, sowie vier von fünf traits im Rahmen des Big five- Persönlichkeitsmodells festgestellt werden. Ein solcher Zusammenhang bestand allerdings hinsichtlich des traits Offenheit für Erfahrung.
Je nach Auswertungsart wurden unterschiedliche Ergebnisse erzielt: Bei einer getrennten Analyse der drei Variablensets konnten 15 Prozent der Gesamtvarianz (von weisheitsbezogenem Wissen) durch Intelligenzfaktoren erklärt werden, 35 Prozent durch Indikatoren für sozialkognitive Stile und 23 Prozent durch Persönlichkeitseigenschaften. Bei einer gleichzeitigen Analyse - im Rahmen von hierachischen Regressionanalysen - konnten Intelligenzindikatoren und Persönlichkeitseigenschaften jeweils lediglich 2 Prozent der Gesamtvarianz erklären, sozialkognitive Stile hingegen 15 Prozent.
Die Korrelationsstudie zeigte also, dass Persönlichkeitseigenschaften und insbesondere sozialkognitive Stile stärker mit weisheitsbezogenem Wissen überlappen als Intelligenz, wodurch die Grundannahmen der Autoren bestätigt werden konnten. Weiheitbezogenes Wissen erwies sich somit als ein integratives Konstrukt, dessen Entwicklung im Erwachsenenalter nicht nur kognitive Fähigkeiten erfordert, sondern auch weitere personenbezogene Ressourcen.
Kunzmann und Baltes (2003b, zit. n. ebd.) untersuchten emotionale und motivationale Dispositionen als Korrelate von weisheitsbezogenem Wissen. Sie untersuchten Dispositionen im Kontext von Affekten bzw. affektiven Erfahrungen (Angenehmheit (i. S. v. positiver emotionaler Valenz), Interesse/ Involvement, negative Affekte)[23], Werthaltungen (persönliches Wachstum, Lebenszufriedenheit, Einsicht (Empathie, Verständnis), Wohlergehen von FreundInnen, soziales Engagement)[24] und Präferenzen im Konfliktverhalten/-management (Dominanz, Unterordnung, Vermeidung, Kooperation)[25]. Die Relationen dieser Indikatoren mit weisheitsbezogenem Wissen sollten im Rahmen dieser Studie erhellt werden.
Die Autoren trafen folgende Annahmen hinsichtlich Personen mit einer starken Ausprägung weisheitsbezogenen Wissens. Diese sollten (zit. n. ebd., S. 513):
· über eine affektive Struktur verfügen, die eher sicher (bejahend) und prozess- und umweltorientiert ist als evaluierend und selbstzentriert.
· In ihren Werten persönliches Wachstum, Verständnis, das Wohlergehen von Anderen hervorkehren - und nicht Lebenszufriedenheit und -komfort.
· Eher einen kooperativen Ansatz im Konfliktmanagement verfolgen als eine dominante, unterwürfige oder vermeidende Vorgehensweise/Verhaltensstil.
Tatsächlich waren die Studienergebnisse mit obigen Hypothesen konform; so berichten Personen mit hohen Werten weisheitsbezogenen Wissens seltener selbstbezogene positive Gefühle (wie Freude, Amüsement), hingegen häufiger prozessorientierte und umweltbezogene positive Affekte (wie etwa: Interesse, Inspiration).Sie präferieren darüber hinaus nicht so sehr Werte wie Lebenskomfort und - und vergnügen, sondern vielmehr andere, die da wären: Persönlichkeitswachstum, Verständnis (Selbst- und Fremdverständnis), Umweltschutz, Sozialengagement, Wohlergehen des sozialen Umfeldes. Darüber hinaus zeigten solche Personen eine stärkere Präferenz für Kooperation, indem sie bemüht sind, gleichermaßen für ihre eigenen und die Bedürfnisse und Interessen des Anderen Sorge zu tragen.
Insgesamt konnte diese Studie die Hypothese, dass Weisheit in Relation zu verschiedenen motivationalen und emotionalen Dispositionen steht, empirischen erhärten.
In der dritten, experimentellen Studie (Kunzmann, zit. n. ebd.) ging es nicht darum, Korrelate, also Dispositionen in Relation mit Weisheit aufzudecken (etwa auf dem Wege der Befragung, wie in der weiter oben referierten Standardprozedur), sondern vielmehr darum, auf der Verhaltens- und Reaktionsebene anzusetzen, indem man die emotionalen Reaktionen auf life problems untersuchte und zwar in Abhängigkeit davon, wie hoch das weisheitsrelevante Wissen bei einer Person ausgeprägt ist. Konkret wurden den UntersuchtungsteilnehmerInnen drei Kurzfilme (von 10minütiger Dauer) gezeigt.
Ziel der Studie war es, zu zeigen, dass das weisheitsbezogene Wissen einer Person deren subjektive Erfahrungen und Gefühlsreaktionen auf existenzielle und grundlegende Lebensfragen (life problems) beeinflusst.
Folgende Hypothesen wurden hinsichtlich Personen mit hohen Ausprägungen weisheitsbezogenen Wissens im Vorfeld formuliert:
· Da es solchen Personen leichter fällt, zu einem tiefgehenden Verständnis der Bedeutung von Lebensereignissen und -phänomenen zu gelangen, sollten sie zunächst eine deutliche emotionale Reaktion zeigen, wenn sie mit life problems konfrontiert werden (Empathiehypothese).
· Im weiteren Verlauf der Informationsverarbeitung sollten diese Personen allerdings eine effektive Regulation ihrer emotionalen Reaktivität zeigen, indem diese verringert wird. Diese Reduktion geht gleichzeitig mit einer emotionalen Distanzierung einher, sodass das weisheitsbezogene Wissen nun in den Vordergrund der weiteren internen Verarbeitungsprozesse treten kann (Regulationshypothese).
Die Studienergebnisse sind konsistent mit der Empathiehypothese:
Personen mit höheren Scores weisheitsbezogenen Wissens zeigten stärkere emotionale Reaktionen bei zwei der dargebotenen life problems: So zeigten sie deutlichere Anzeichen von Freude bei der filmisch inszenierten Thematik Persönlichkeitswachstum und andererseits größere Betroffenheit bei dem Film über Alzheimer. Die zweite Hypothese, so beabsichtigen es die Autoren, soll zukünftig untersucht werden.
Der Beleg der Empathiehypothese läuft beispielsweise anderen Befunden zuwider, die Personen mit ausgeprägtem weisheitsbezogenen Wissen als emotional distanziert und abgehoben beschreiben (z. B. Erikson, 1959, zit. n. ebd.). Personen mit hohen Weisheitsscores zeigen vielmehr, so konnten die referierten Studien zeigen, Sympathie (Empathie, Einfühlung) mit ihren Mitmenschen, unabhängig davon, ob jene mit Lebensproblemen, die persönliches Wachstum oder aber existenzielle Nöte bis hin zu deren Tod verheißen, konfrontiert sind.
(Heidemarie König)
Im folgenden Abschnitt werden fehlende Hypothesen speziell in Bezug auf implizite Theorien und auf das Thema Weisheit global gesehen behandelt.
Ein reges Forschungsinteresse besteht bei impliziten Theorien auf alle Fälle in folgenden zwei Bereichen:
· Altersunterschiede: Entwickelt sich der Weisheitsbegriff mit dem eigenen Alter?
· Geschlechtsunterschiede
a) Verstehen Männer etwas anders unter Weisheit als Frauen?
b) Unterscheiden sich als weise wahrgenommene Männer und Frauen (ist "weibliche" Weisheit etwas anderes als "männliche" Weisheit)?
Auch Brugman gibt in seinem Artikel einige Hinweise, wo in der Forschung noch ein Manko vorliegt. Hier abschließend ein Auszug dessen, was noch als unerforschtes Terrain zum Thema Weisheit gilt.
Zukünftige Forschung bezüglich Weisheit kann auf drei Wege aufgeteilt werden:
1) weitere Identifikation von sozialen und persönlichen Faktoren und Lebensprozessen, die relevant für die Ontogenese der Weisheit sind (Anmerkung: Unter dem Begriff der Ontogenese versteht man allgemein die Geschichte des strukturellen Wandels einer Einheit ohne Verlust ihrer Organisation)
2) die Exploration der Weisheit als eine Meta-Heuristik
3) Differenzierung zwischen persönlicher und genereller Weisheit
Generell fehlen in der Forschung folgende Hypothesen:
· Offenheit für Erfahrung oder emotionale Stabilität interagieren mit Erfahrung
· Interaktion, Alter und Erfahrung
· Forschung in Jugend begann erst und sollte weitergeführt werden
· Vignette über politische und ethologische Angelegenheiten - differieren von Scores d. Vignetten über private moralische Dilemmas
· mehr Forschung: basic und metalevel Kriterien
· messen verschiedene Instrumente das selbe und gilt das auch für andere Populationen
· Forschung über WH in andere Kulturen
8.1.
Der Artikel "Wisdom and Aging" von Gerard M. Brugman (2006) gibt eine Einführung in die Entwicklung von Weisheitsmodellen über die vergangenen Jahrhunderte hinweg. Es werden Sichtweisen der frühen Philosophen, aber auch Ansichten der modernen Psychologen über das Thema Weisheit näher erklärt.
Grundsätzlich beschäftigt sich dieser Artikel mit zwei Konzepten, nämlich die pragmatische Sichtweise von Weisheit und die Epistemologische. Brugman schafft es, die wesentlichen Unterschiede, aber auch etwaige Überschneidungen dieser beiden Theorien auch für Leser, die noch eher unerfahren in dem Thema Weisheit sind, verständlich zu machen. Äußerst ausführlich erklärt der Autor die einzelnen Vertreter der pragmatischen und epistemologischen Theorien. So zählen zu den Ersten unter anderem das Berliner Weisheitsmodell und die Balance-Theorie.
Ich durfte mich im Zuge meines Referates mit den Vertretern der epistemologischen Richtung näher befassen, zu denen unter anderem Meacham, Kitchener und Brugman selbst zählen. Zugegeben fiel es mir nicht leicht, diese Theorien auf Anhieb zu verstehen, da sie meiner Meinung nach doch sehr philosophisch angehaucht sind. Besonders die Theorie von Meacham, in der Weisheit darin besteht, dass man weiß, aber gleichzeitig auch weiß, dass man nicht alles weiß, regte zu einigen Diskussionen innerhalb meiner Referatsgruppe an. Meacham war einer der ersten Psychologen, der die eigene Haltung in Richtung Wissen als das zentrale Element der Weisheit fokussiert hat. Mir persönlich fällt es schwer, die Ansichten dieser Theorie zu teilen, wobei wahrscheinlich auch die Tatsache Rechnung trägt, dass sie bis jetzt nicht empirisch geprüft werden konnte.
Am inhaltlich Nachvollziehbarsten empfand ich die Theorie von Kitchener, die Reflective Judgement Theorie, die postuliert, dass sich der Mensch bzw. die Weisheit über sieben Stufen hinweg entwickelt. Die Facetten des Wissens verändern sich in ihrer Qualität über sieben Stadien von naiven bis hin zu reifen epistemologischen Überzeugungen. Ich verbinde diese Ansicht mit der Tatsache, dass sich auch der Mensch selbst erst entwickeln muss, von einem Baby, dass von anderen Menschen abhängig ist, hin zu einem Erwachsenen, der für sich und seine Taten selbst verantwortlich ist.
Zur Epistemic Wisdom Theorie von Brugman sei zu sagen, dass man hier eine Überschneidung zum Berliner Weisheitsparadigma finden kann, da in beiden Theorien die Persönlichkeit und der Affekt für die Weisheit grundlegend sind. Für Brugman scheinen drei Komponenten notwendig für Weisheit zu sein, die Meta-Kognition, die Persönlichkeit und das Verhalten. Dieser Ansatz erscheint mir persönlich äußerst plausibel, da Brugman seine Theorie auf drei Komponenten stützt, die für das gesamte Leben entscheidend sind.
Alles in allem ist der Artikel sehr gut geeignet, wenn man sich intensiver mit dem Konstrukt Weisheit befassen möchte, da er einen guten Überblick über die wichtigsten Theorien auf diesem Gebiet gibt.
8.2. Heidemarie König (Staudinger & Dörner, 2007)
Dieser Artikel, der schnell mein Interesse weckte, beschäftigt sich eingehend mit einer einleitenden, primären Stellungnahme zum Thema Weisheit. Es wird ein kurzer Abriss dessen gestaltet, um was es sich bei der Thematik Weisheit überhaupt handelt. Somit bekommt man als Leser gleich anfangs einen guten Überblick über die Materie. Des Weiteren wird auch die historische Komponente des Konstruktes Weisheit in einer sehr umfassenden Weise aufgearbeitet, was auch einen sehr guten Eindruck über die Relevanz des Themas vermittelt.
Es werden auch erste Ansätze zur Definitionfindung angeboten, die meines Erachtens sehr gut gelungen sind. Somit ergibt es sich von selbst, dass im Folgenden einige Theorien aufgelistet werden. Einerseits Theorien, wie Laien an die Problematik herangehen und andererseits folgen auch einige Doktrinen, die aus der Feder von vielen Forschungsinteressenten kommen. Speziell die Laientheorien, also impliziten Theorien, waren für mich besonders spannend. Wie gehen "gewöhnliche" Leute mit Weisheit um? Wie definieren Unkundige diese spannende Dimension?
Im anschließenden geht es in dem Artikel um Ansätze zur generellen Weisheit. Infolgedessen wird eine Studie von Paul Baltes erwähnt. Des Weiteren werden verschiedene Lehrmeinungen, unter anderem jene von Sternberg, der "Piagetian Tradition" und das Berliner Weisheitsparadigma nur fundamental beschrieben. Somit bekommt man meiner Meinung nach einen generellen Überblick, der nicht zu detailbehaftet ist und so ein gutes Verständnis gewährleistet.
Nach Abschluss dieses Ausgangspunktes folgt eine Darstellung der Ansätze über persönliche Weisheit. Hier einzuordnen sind die Arbeiten von Webster - die self-assessment-wisdom-scale = SAWS, Loevingers Arbeiten und auch Labouvie-Vief spielt eine zentrale Rolle in diesem Metier. Letztendlich werden in diesem Artikel auch noch zukünftige Direktionen angegeben und es wird kurz darauf eingegangen, dass sich die kommende Forschung in drei Wege teilen wird. Somit wird der Artikel damit abgerundet, dass es erstens, für weitere Forschung unabdingbar ist, mehrere Identifikationen von sozialen und persönlichen Faktoren, die für Ontogenie der Weisheit relevant sind, einzubringen, zweitens es um Metaheuristiken gehen wird und drittens, dass Unterschiede zwischen genereller und persönlicher Weisheit herausgearbeitet werden müssen. Summa summarum ist der Artikel sehr gut geeignet, sich einen guten Überblick über die Materie Weisheit zu verschaffen und er lädt auch ein, sich intensiver mit dem Konstrukt zu befassen.
8.3.
Das Vorhaben dieses Artikels ist es, sich dem Begriff Weisheit nicht nur theoretisch, sondern vielmehr empirisch anzunähern. So folgt einer knappen Einleitung eine Darstellung des Berliner Weisheitsmodells als theoretische Grundlage - auch das Ontogenesemodell der Entwicklung von Weisheit wird skizziert; abschließend wird ob des integrativen Charakters von Weisheit ein Bogen zu emotionalen und motivationalen Aspekten von Weisheit gespannt, denen dann in mehreren zitierten Studien empirisch nachgegangen wird. Es handelt sich hierbei um Studien, in denen Hypothesen, die aus dem Berliner Weisheitsmodell abgeleitet wurden, überprüft werden.
Soweit zum Aufbau des Artikels, der für mich in mehrerlei Hinsicht interessant zu lesen war und sich in einer - wie ich persönlich meine -begrüßenswerten Weise mit der Thematik Weisheit befasst. Ich möchte das im Folgenden erläutern. Die Art, wie Weisheit in diesem Artikel inhaltlich gefasst wird, entspringt dem Berliner Weisheitsmodell und zwar wird in letzterem Weisheit als eine integrative Fähigkeit aufgefasst. Als solche impliziert sie intellektuelle, persönliche, emotional-motivationale, einstellungsbezogene Aspekte. Die Ergebnisse der Studien, dass insbesondere persönlichkeitsbezogene, sozialkognitive, emotionale und motivationale Dispositionen für das Auftreten und die Ausprägung von Weisheit relevant sind, decken sich wohl mit dem intuitiven Verständnis vieler Menschen. Was also die inhaltliche Erkenntnis, was denn das Wesen von Weisheit ausmacht, anbelangt, ist dieser Artikel empfehlenswert, da er in systematischer Weise den einzelnen Aspekten nachgeht und darüber hinaus auch noch weitere Zukunftsperspektiven für die Weisheitsforschung im Rahmen der Sozialwissenschaften aufzeichnet. Eine unbeantwortete Frage ist etwa die Regulationshypothese, die am Ende des Artikels erwähnt wird und die besagt, dass weise Personen bei der Konfrontation mit life events im Leben anderer, nachdem sie zunächst vergleichsweise stärkere empathische Reaktionen zeigen als weniger Weise, eine größere Kompetenz aufweise, diese Emotionen derart zu regulieren, dass eine ausreichende Distanzierung möglich wird, um über die beobachteten Ereignisse zu reflektieren und wertvolle- weil weise- Aussagen zu treffen bzw. Ratschläge zu erteilen.
Generell ist bezüglich des Artikels auch die empirische Stoßrichtung positiv zu beurteilen. Alles in allem handelt es sich also um einen empfehlenswerten, für die Forschung hilfreichen Artikel.
8.4.
Im Zuge der Erarbeitung des Referates hab ich mich mit dem Artikel "Wisdom and Aging" von Brugman (2006) und dem enzyklopedischen Eintrag von Staudinger (2007). In dieser Reflexion will ich mich jedoch auf den erstgenannten beschränken, da er mir auf der einen Seite gut gelungen erscheint, bei genauerem hinsehen aber doch einige Schwächen aufweist.
Beim ersten durchlesen, war ich von der großen Anzahl an Theorien zum Thema Weisheit überrascht. Und ich hatte auch sofort meine "Favoriten" im Auge. Meacham's Theorie bzw. die Reflective Judgment Theorie von Kitchener schienen mir ein brauchbares Gerüst für die Konstruktion einer persönlichen Theorie von Weisheit zu sein. Speziell Meachams Theorie bestach durch ihre Klarheit und Einfachheit. Und schon wieder hat Ockhams Rasierklinge einen perfekten Schnitt geliefert. Als ich ein paar Tage später einem Studienkollegen von dieser Theorie erzählen wollte, hatte ich aber Schwierigkeiten, ihm diese zu erklären. In meinen Englischkenntnissen war aber schnell ein Schuldiger gefunden und ich setzte mich am nächsten Tag ein weiteres Mal über den Artikel. Da aber selbst nach mehrmaligen durcharbeiten, die Theorie noch nicht richtig erschien gab es zwei Möglichkeiten: (i) die Theorie widerspricht sich, (ii) Brugman widerspricht sich. Auf Seite 452 definiert Brugman Meachams Theorie als spezifische Ratio (Verhältnis) zwischen dem was eine Person weiß und dem was eine Person weiß das sie nicht weiß. Weiters führt er aus dass sich die Position dieser beiden Dimensionen zueinander ändern kann, was wenn es ungleichmäßig geschieht zu Weisheitsverlust führt. Weisheit besteht also darin die Balance zwischen diesen beiden Dimensionen zu finden. Je kleiner die Differenz zwischen meinem Wissen und dem Wissen über Sachen die ich nicht weiß ist, desto weiser bin ich. Direkt danach fasst Brugman das bisher besprochene überraschenderweise wie folgt zusammen: "His [Meacham’s] wisdom model consist of two dimensions: the age-independent core of wisdom, or the balance between certainty and doubt, and an age-dependent dimension, labelled quality, or the profoundness of wisdom ..." Hier spricht Brugman plötzlich von zwei komplett neuen, bisher noch nicht erwähnten Dimensionen, die die zuvor besprochenen in der ersten zusammenfassen. Nach diesem Absatz streicht Brugman heraus, dass unter dieser Sichtweise Personen weise geboren werden und mit dem Alter unweiser werden.
Für Meacham spielt aber auch faktisches Wissen eine Rolle. Jetzt stellt sich für die Frage, wie dieses faktische Wissen mit der zuvor getätigten Aussage das Babys weise geboren werden vereinbar ist. Hier hat Brugman meines Erachtens wichtige Teile Meachams Theorie weggelassen oder Meacham hat seine Theorie nicht ganz durchdacht.
Sehr gut gelungen fand ich den Abriss über philosophische Theorien, bzw. die Untersuchung der bisherigen Forschung. Als kleinen Kritikpunkt, sei mir noch erlaubt anzumerken, dass ich mir durch den Titel Weisheit und Alter mehr übers Alter und nicht nur dessen Zusammenhang mit Weisheit vorgestellt hätte.
Literatur
Aristoteles. Nikomachische Ethik [Online im Internet]. URL: http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=73&kapitel=1 [23.11.07]
Brugman G. M., & Schaie W. (2006). Wisdom and Aging. In J. E. Birren, & W. Schaie (Eds.), Handbook of Psychology and Aging (pp. 445 - 476). Amsterdam.
Kohlberg, L. (1969). Stage and sequence: The cognitive-developmental
approach to socialization. In G. A. Goslin (Eds.), Handbook of socialization
theory and research (pp. 347-380).
Kunzmann, U. (2004). Approaches to a Good Life: The
Emotional-Motivational Side to Wisdom. In P. Alex Linley & Stephen Joseph
(Hrsg), Positive Psychology in Practice
(S. 504- 516).
Ryan S. (2007). Wisdom. In E. N. Zalta (Eds.), The Stanford Encyclopedia of Philosophy. URL: http://plato.stanford.edu/archives/spr2007/entries/wisdom/.
Staudinger U. M., & Dörner J. (2007). Wisdom. In J. E. Birren (Eds.), Encyclopedia of Gerontology (pp. 674-683). Amsterdam.
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Sternberg R. J. (1998). A Balance
Theory of Wisdom. Review of General Psychology, 2 (4), pp. 347-365.
[1] frei übersetzt vom Autor:
1. Wisdom as Epistemic Humility
2.
Wisdom as Epistemic Accuracy
3.
Wisdom as Knowledge
4.
Wisdom as Knowledge and Action
[2] frei übersetzt vom Autor:
S is wise if S believes S
does not know anything.
[3] frei übersetzt vom Autor:
S is wise if for all p, (S
believes S knows p iff S's belief in p is highly
justified.)
[4] S is wise if S
knows how to live well.
[5] http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=73&kapitel=82&cHash=5bd0900e88niko0613
[6] frei übersetzt vom Autor:
S is wise if (i) S knows how to live
well, and (ii) S is successful at living well.
[7] Die folgenden Theorien werden später noch näher erklärt.
[8] Bei näherem Interesse sei als Beispiel auf den Interessanten Artikel von Mackinejad, & Vandad verwiesen. (Mackinejad, K., & Sharifi, V.(2006). Wittgenstein's Philosophy and a Dimensional Approach to the Classification of Mental Disorders - A Preliminary Scheme. Psychopathology 33 (3), pp. 126-129)
[9] frei übersetzt vom Autor
[10] frei übersetzt vom Autor
[11] original: conscious preoccupation
[12] frei übersetzt vom Autor
[13] frei
übersetzt von der Autorin: the age-independent
core of wisdom, or the balance between certainty and doubt
[14] frei übersetzt von der Autorin: an
age-dependent dimension, labeled quality, or the profoundness of wisdom
[15] frei übersetzt von der Autorin: their passionate quest for truth
[16] frei übersetzt von der Autorin:
their acknowledgment of the obstacles lying on the road to truth
[17] frei übersetzt von der Autorin:
their attempt to relate their epistemological stance to fundamental questions
of conduct in life and, for the matter, eudaimonia, or the good life
[18] frei übersetzt von der Autorin:
expert knowledge about fundamental questions as to the meaning and conduct of
life
[19] frei übersetzt von der Autorin: the
orchestration of human development towards excellence
[20] frei übersetzt von der
Autorin: factual knowledge and procedural knowledge
[21] frei übersetzt von der Autorin:
concerns […]topics as human nature, life span development, variations in
developmental processes and outcomes, interpersonal relations, and social norms
[22] Frei übersetzt von der Autorin:
1. Context related factors (synonym verwendet
Kunzmann auch: faciliative experiential contexts)
2. Expertise- related factors: such as life
experience, professional practice, or receiving and providing mentorship
3. Person- related factors
[23] frei übersetzt von der Autorin: affective experiences (pleasantness, interest/involvement, and negative affect)
[24] frei übersetzt von der
Autorin: value orientations (pleasurable life, personal growth, insight,
well-being of friends, environmental protection, societal engagement)
[25] frei übersetzt von der Autorin:
preferred modes of conflict management (dominance, submission, avoidance,
cooperation)